Erinnerung an Mohamed Bouazizi

2015, Stahldraht, 185 x 190 x 260 cm

›Cage‹ ist im Französischen wie im Englischen das Wort für Käfig. Markus Daum setzt diesen Titel in den letzten Jahren dann ein, wenn er eine Metapher für einen doppelsinnigen Zustand benötigt. Denn die Wahrnehmung eines Käfigs ist davon abhängig, auf welcher Seite man sich befindet. Innen oder außen, Zelle oder Welt. Wer im Käfig sitzt, erlebt ein implodiertes Zentrum. Jede Ausdehnungsfreiheit ist genommen. Der Außenstehende aber erlebt Macht über ihn und seinen Inhalt. Der Käfig steht nun für ein isoliertes, kaltgestelltes Zentrum, das von seiner Peripherie beherrscht wird. Nur dem gefangenen Tier könnte man die umgekehrte Sicht unterstellen: Es sitzt in seinem Käfig und fragt sich staunend, ob die Menschen es deshalb so angafften, weil sie hinter Gitterstäben leben müssen. 

Mohamed Bouazizi fühlte sich gegängelt, erniedrigt und gefangen bis er sich mit seiner verzweifelten Selbstauslöschung Erlösung verschaffte. Markus Daums Käfig versinnbildlicht nicht nur diesen radikalsten Ausbruch aus der Machtlosigkeit durch Selbstentscheid. Auf unerträgliche Weise nachfühlbar ist hier auch das Vorgehen des IS, der immer wieder Menschen in Käfige gesperrt hatte, um sie lebendig zu verbrennen. Prominentes Opfer eines solchen sadistischen Exzesses war der jordanische Pilot Muʿādh al-Kasāsba.

Herbert Köhler

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